Stephanie Schüler führt ein perfektes, glückliches Leben. Dann kam die unfassbare Krankheit, die für die junge Frau alles veränderte. Stephanie beschreibt ihren schweren Krankheitsweg, der sie auch zu sich selbst führte, ihren Kampfeswillen entfachte und wie Triathlon sie gerettet hat. 

“Ich führte ein ganz normales Leben, wie jeder von uns. Ich hatte meinen absoluten Traumjob an einer OTA (Operationstechnische Assistenten) Schule an der Akademie für Gesundheits- und Pflegeberufe am UK-Erlangen. Natürlich war das auch etwas stressig, aber ich hatte alles, was ich brauchte, um glücklich zu sein.

Zu schön, um wahr zu sein

Im Sommer 2012 setzten wir das Cortison für meine chronisch entzündliche Darmerkrankung ab. Mir ging es gut. Ich hatte überhaupt keine Beschwerden. Doch im Nachhinein wussten wir, dass genau deshalb mein Gehirn zu spinnen anfing. Ich bekam Phasen, die wohl typisch für psychologische Erkrankungen waren. Ich war antriebslos, hatte schlechte Laune, war gereizt, müde und manchmal teilnahmslos. Später kamen starke Kopfschmerzen und Übelkeit hinzu. Irgendwie schaffte ich es aber, es gekonnt zu umspielen und machte weiter, als wäre nichts.

Ab Dezember ging dann irgendwie nichts mehr. Die Kopfschmerzen wurden täglich schlimmer. Meine Ärztin spritzte mir Schmerzmittel und zusätzlich Cortison. Mein Kopf fühlte sich an, als würde er gleich platzen. Zudem fing ich an wirres Zeug zu erzählen, bekam hoch aggressive Wutausbrüche und stand ziemlich neben mir. Da war allen klar, dass irgendetwas nicht stimmte. Die ungewöhnliche Anzahl von Zellen im Liquor (die da nicht hingehören) führte zur Versetzung auf eine neurologische Station. Ich bekam Antibiotika und Virusstatika aufgrund einer angenommenen „Enzephalitis unklarer Genese“. Nach 10 Tagen Infusionstherapie wurde ich in die Reha entlassen und hatte nach wie vor keine vernünftige Diagnose. Seit damals hat sich auch das Verhältnis zu meiner Mutter und meinem Bruder verschlechtert. Ich hätte mit dieser Erkrankung ihr Leben zerstört.

Eine Achterbahnfahrt der anderen Sorte

Im Januar 2013 begann die wahrlich längste Achterbahnfahrt meines Lebens. Mit meiner akuten Hirnerkrankung wurde ich mir selbst überlassen. Ich hatte keine Orientierung, wusste nicht wer ich bin, litt unter starker Vergesslichkeit und konnte Löffel von Messer nicht unterscheiden. Ich wurde auf eine Station für Selbstversorger gebracht. Ich hatte kein Gefühl für Tag und Nacht. Zu meinem Unglück geriet ich in einen Machtkampf zwischen zwei Ärzten, welche meine Medikamente abwechselnd an- und absetzten bis ich schließlich einen epileptischen Anfall bekam. Inzwischen war es März und ich war immer noch in der Reha ohne jeglichen Kontakt zu meinem „alten Leben“. Meine Mutter wollte nicht, dass irgendjemand merkte wie „gaga“ ich war.

Was ich während meines Reha-Aufenthalts jedoch gut konnte: ins Internet kommen und bei Amazon bestellen. Damals bildete ich mir ein, einen Monchichi und ein Triathlon Buch zu brauchen. Auch wenn ich wahrscheinlich nicht ganz bei Sinnen war, schaffte ich es die Adresse der Klinik anzugeben.

Man beschloss mich in eine Kopfklinik zu verlegen. Dort sollte ich an ein Langzeit EEG, bei welchem über 10 Tage lang die Gehirnströme gemessen wurden. 10 Tage nur Bett, überall Kameras, null Bewegung – das war eine wirklich üble Zeit. Doch hier nimmt meine Geschichte langsam, aber sicher ihre Wendung. Auch hier wurde mir erklärt, es sei alles psychisch und sie wüssten nicht, wer auf die Idee kam, ich hätte eine Hirnentzündung. „Hallooooo, ich hatte einen Befund?!?“ dachte ich mir nur.

Eines Tages kam eine neue Patientin ins Zimmer. Ich unterhielt mich mit ihr und ihrer Mutter. Die Mutter meinte, dass sich meine Symptome ähnlich anhörten, wie bei ihrer Tochter. Diese hatte eine sogenannte Anti NMDA Rezeptor Enzephalitis (mehr dazu am Ende). Ich fragte die Ärzte diesbezüglich, doch die meinten nur, das käme bei mir überhaupt nicht in Frage.

Im April 2013 war ich wieder in der Rehaklinik. Ostern nährte sich und mir ging es zunehmend wieder wie Anfang Januar. Der Chefarzt war der Meinung, ich wäre faul und würde bewusst in der Krankenrolle verweilen. Also wurde ich kurzerhand als „voll arbeitsfähig“ entlassen. Der Alltag daheim mit meiner Mutter war schwierig (wir lebten in einem Haus, jeder mit seiner eigenen Wohnung).

Im Mai stand die Nachuntersuchung in der Klinik an, in welcher ich im Dezember war. Dort wurde ich wieder zum Langzeit EEG geschickt und habe wohl endgültig ein Trauma für Kliniken entwickelt. Auch dort erkundigte ich mich über autoimmune Enzephalitiden. Doch auch hier wurde meine Vermutung verworfen, weil keine Antikörper gefunden wurden. In dieser Zeit kam ein Befund aus Erlangen, in dem wortwörtlich stand: „Antikörper mGlur5 erhöht, sollte bei Gelegenheit kontrolliert werden“. Ich ging damit zu den Ärzten. Aber nein, das passte nicht zur Hirnentzündung. Und jetzt kommt der Witz schlechthin: am 14. Mai 2013 fand ein neurologisches Symposium über paraneoplastische Syndrome und autoimmun Enzephalitiden am Krankenhaus statt. Und niemand hat reagiert.

Eigeninitiative ergreifen

Im Juni 2013 suchte ich selbst im Internet nach Antworten auf die Fragen, die mir im Kopf rumschwirrten. Ich fand drei Ärzte in Deutschland und schilderte ihnen meine Geschichte. Zwei Tage später bekam ich tatsächlich eine Antwort auf meine Mails. Ich werde die ersten Worte von Dr.Prüß nie vergessen: “Liebe Frau Schüler, bei Ihnen handelt es sich in der Tat um eine seltene Form einer autoimmun Enzephalitis, die wir in dieser Form in Deutschland noch nicht haben, vor allem bei der sowieso noch jungen Geschichte der Autoimmunenzephalitiden. Bitte lassen Sie uns dringend telefonieren”. Ich habe dann sofort seine Nummer gewählt und Dr. Prüß ging direkt ran.

Er erklärte mir alles und meinte, dass ich dringend die erforderliche Therapie von Plasmaaustausch und Immunsupression benötige. Ich erzählte ihm nochmal, was bisher alles passiert war und ich mir nicht vorstellen konnte, dass man mir hier in München glaubte. Er meinte, er kümmere sich darum. Eine Stunde später kam meine behandelnde Ärztin und sagte zu mir: „Am Montag geht es für Sie in die Charité. Das ist im Moment das Wichtigste und dann wird es Ihnen besser gehen.“
Auf einmal ging alles ganz schnell und Montag war ich schon in Berlin.

Im Juli 2013 schlug die Behandlung ein, wie eine Bombe. Es war plötzlich alles so klar und real. Das Gefühl, wie von Nebel umhüllt zu sein, war verschwunden.

Nun hat der Wahnsinn ein Ende – oder?

Es ist Herbst 2013. Wie geht es nun weiter? Ich wollte mit meinem Leben weitermachen und zu meinem Traumjob zurückkehren. Dr. Prüß und mein Freund unterstützten mich dabei. Ich solle nur nicht übertreiben. Während meiner ersten Probevorlesungen an der Fachhochschule merkte ich jedoch schnell, dass nichts mehr so war, wie vorher. Ich hatte große Probleme mich lange Zeit zu konzentrieren. Von der Krankenkasse wurde mir nahe gelegt einen frühzeitigen Rentenantrag zu stellen. Ich war erst 30 Jahre alt. Doch das tat ich dann.

Im Frühjahr 2014 bekam ich dann einen Rückfall. Nach monatelanger Behandlung war ich im Herbst 2014 wieder stabil. Ich beschloss etwas Neues zu probieren und bewarb mich bei der Deutschen Bahn. Im März 2015 begann ich meine Ausbildung zur Fahrdienstleisterin und hatte richtig Spaß am Lernen. Ich musste mir nicht mehr überlegen, ob mein Gehirn das schon kannte oder nicht – es war alles neu. Mir ging es super. Doch schon im Winter merkte ich, wie alles wieder anstrengender wurde. Ich informierte Dr. Prüß und wurde wieder stationär aufgenommen.

Triathlon hat mich gerettet

Nach der Blutwäsche im Frühjahr 2016 war ich wie neugeboren. Da fiel mir das Triathlon Buch wieder ein. Eines Tages las ich es und googelte den Autor Michael Krell. So fing meine große Leidenschaft und beste Therapie an.

Es war das legendäre Challenge Roth – Wochenende als ich Michael Krell kontaktierte. Ich erzählte ihm meine Geschichte und für mich war klar – wenn Sport, dann Triathlon. Den kann ich allein machen, nach meinem Dienstplan organisieren und muss nicht in Kontakt mit Menschen treten, was mir nach wie vor sehr schwerfällt. Das Training mit Michael hat mir in vielerlei Hinsicht positiv weitergeholfen. Ich gehe freiwillig zur Psychotherapie, um das Erlebte zu verarbeiten und Strategien zu entwickeln, die meinen Alltag vereinfachen. Inzwischen mache ich den Sport schon seit vier Jahren und habe sehr viel Freude daran. Ich liebe diesen Sport. Zurzeit bereite ich mich für meine erste Mitteldistanz vor. Seit 2017 habe ich bereits vier Mal die Olympische Distanz und acht Mal Sprint gefinisht. Hinzu kommen noch zahlreiche Lauf-, Wander- und Schwimmveranstaltungen. Mein großer Traum ist es eines Tages in Roth über die Ziellinie zu laufen.  

Leider haben die Ärzte inzwischen festgestellt, dass sie meine Erkrankung nicht im Griff haben. Ich werde intensiver behandelt und es läuft wieder ein Rentenantrag. Das ist im Moment der beste Weg und ich hoffe einfach, dass es eines Tages eine Lösung für mein Problem gibt. Aber trotzdem bin ich glücklich, zufrieden, fühle mich gesund und sehe inzwischen die Erkrankungen als Teil meines Lebens und lebe gut damit. Wer weiß, wie sich mein Leben sonst entwickelt hätte. Ich denke oft an die Zeit im OP zurück und für mich ist es immer noch der beste Beruf. Aber ich bin nicht traurig, dass die Zeit vorbei ist. Ich bin dankbar, dass ich wenigstens etwas Zeit hatte in meinem Traumberuf zu arbeiten. Jetzt sind andere Dinge von Bedeutung. Wie auch mein Sport, der mir hilft, diese schweren Therapien zu überstehen.

Für 2022 habe ich eine Radtour durch Deutschland geplant, 1700km in 21 Tagen, bei der ich über die Autoimmun Enzephalitis aufklären möchte. 2017 habe ich diese schonmal gemacht, jedoch war die Resonanz nicht so prickelnd, weil es mir niemand zugetrauen hat. Aber das ist mir egal. Ich werde diese Tour unter dem Motto „Mein Weg zurück nach vorne“ durchziehen.

Stephanie und Lanakila lernen sich kennen

Im Jahr 2019 meldete ich mich mit meiner Freundin zum Challenge Women‘s Run in Roth an. Als ich über die Expo spazierte, sah ich schon aus der Ferne diese tollen und leuchtenden Farben. Mein erster Satz war: „Wow, was für schöne Sachen. Aber vergiss es, da passe ich niemals rein.“

Sylvia hörte es und sagte: „Probier’s einfach mal. Ich weiß, du passt da rein.“ Wir kamen ins Gespräch und auch auf das Thema Lipödem, was mich seit meiner Hirnerkrankung zusätzlich begleitet. Sie erzählte mir von Jasmin, die ebenfalls unter der Krankheit litt, und auch die Lanakila Sachen trägt. Vor dem Rennen probierte ich den Trisuit CYD an, verliebte mich sofort darin und nahm ihn natürlich mit nach Hause.

Seit damals war für mich klar – ich will unbedingt in dieses Team! So eine einfühlsame Powerfrau als Gesicht der Marke, die Werte und Leidenschaft, die in jedes Teil einfließen und Mode, die nicht nur hammermäßig aussieht, sondern auch nachhaltig ist. Im Herbst habe ich mich sofort, als der Aufruf kam, für das Lanakila Racers Team 2020 beworben. Ich freue mich und bin stolz darauf, dass es geklappt hat. Ein Team voller inspirierender Kämpferinnen und Kämpfer – jeder mit seiner ganz persönlichen Geschichte.

Nach dieser frohen Botschaft fasste ich den Mut, um mich für das Casting für den Women’s Curvy Day in Ebermannstadt zu bewerben. Eine Veranstaltung rund um Lipödem, Mode, Kompression und wie man damit den Alltag am besten meistert. Ich wurde zum Casting geladen und wir kamen ins Gespräch über Sport. Leider ist das immer noch ein Thema, über welches wenig gesprochen wird und es gibt auch wenige, die sich trauen mit dieser Krankheit Sport zu machen. Ich erzählte meine Geschichte und erntete Ungläubigkeit und Bewunderung. Nach ein paar Tagen bekam ich eine Zusage und freue mich schon 2021 durchzustarten.

Was ich am Ende noch allen mitgeben möchte: „Fight until the end!“ (das steht auch auf meinem Unterarm tätowiert). Es gibt immer einen Weg, auch wenn er nicht immer leicht sein wird. Nehmt die Hilfe in Anspruch, die ihr kriegen könnt. Aber nehmt euch auch selbst in die Pflicht, euch nicht hängen zu lassen. Es kann niemand etwas für eine Erkrankung, Veränderung oder einen Schicksalsschlag. Aber man muss lernen es anzunehmen und damit umzugehen. Ich persönlich würde es so formulieren: tretet euch selbst in den Hintern und kommt in die Gänge! Unterstützung von außen kommt dann automatisch. Ihr müsst sie nur zulassen. Ich bin das perfekte Beispiel: mittlerweile bekomme ich Erwerbsunfähigkeitsrente und finde das erschreckend und furchtbar. Aber ich arbeite daran, es zu akzeptieren. Genauso wie meine Erkrankung. Es ist Teil meines Lebens. Ich kann es nicht verdrängen. Ich kann nur versuchen, das Beste daraus zu machen.”

Im Anschluss eine Arte Reportage von Xenius Wie der Körper den Geist krank machen kann über die Hirnerkrankung und Stephanies Geschichte.

Teilen